französisch-russischer Zweibund

französisch-russischer Zweibund
französisch-russischer Zweibund
 
Frankreich hatte bald nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 immer wieder seinen Anspruch auf die Gebiete Elsass und Lothringen, die im Frankfurter Friedensvertrag abgetreten werden mussten, angemeldet. Bismarck, der Kanzler des neuen Deutschen Reiches, verfolgte deshalb in seiner Außenpolitik konsequent das Ziel, jede französische Kontaktaufnahme zu einer anderen europäischen Macht zu verhindern. Er bemühte sich ferner, den sich ständig verschärfenden Gegensatz zwischen den beiden Balkanmächten Österreich-Ungarn und Russland nicht ausufern zu lassen, was ihm durch geschickte Bündnispolitik auch gelang.
 
Die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages durch die neue Regierung Kaiser Wilhelms II. nach Bismarcks Entlassung, obwohl der russische Außenminister für den Fall der Vertragsverlängerung beträchtliche Zugeständnisse anbot, gab denjenigen Kräften in Russland Auftrieb, die schon seit langem eine Wende in der Außenpolitik und die Annäherung an Frankreich forderten. Die weit verbreitete deutschfeindliche Stimmung hatte zum großen Teil ihre Ursachen in der deutschen Schutzzollpolitik der Achtzigerjahre, durch die besonders der russische Getreideexport schwer geschädigt worden war. Ebenso hatte die deutsche Weigerung von 1887, russische Anleihen an der Berliner Börse zuzulassen, zu Verärgerung geführt und die russische Regierung zwangsläufig veranlasst, sich zur Deckung ihres Kreditbedarfs an die Pariser Börse zu wenden.
 
Die Russen wurden zudem durch den am 1. Juli 1890 zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich abgeschlossenen Helgoland-Sansibar-Vertrag beunruhigt, weil sie darin den Beginn einer deutsch-britischen Zusammenarbeit zu sehen glaubten. Mit dem später etwas irreführend als »Tauschvertrag« bezeichneten Abkommen bereinigten die beiden Mächte koloniale Streitigkeiten in Afrika; Das Deutsche Reich erkannte die britische Herrschaft über Sansibar an und erhielt als Gegenleistung Helgoland. Es verzichtete auf weitere Erwerbungen in Südwest- und Ostafrika, verfügte aber nun mit dem »Caprivizipfel« über einen Zugang zum Sambesi.
 
Nach ersten Gesprächskontakten im Jahre 1890 zwischen hohen Militärs folgte im Juli 1891 ein französischer Flottenbesuch in Kronstadt und im August 1892 schließlich die französisch-russische Militärkonvention, die nach langem Zögern des Zaren am 4. Januar 1894 in Kraft gesetzt und 1899 erneuert wurde.
 
Mit dem Abschluss des französisch-russischen Zweibundes, eines Beistandspakts für den Fall 2eines Angriffs der Dreibundmächte, war wenige Jahre nach Bismarcks Entlassung das Ereignis eingetreten, das er seit 1871 mit seiner Außenpolitik hatte verhindern wol len. Die Gefahr eines Zweifrontenkrieges musste fortan in alle politischen und militärstrategischen Überlegungen der Deutschen einbezogen werden.
 
Insbesondere die deutschnationale Geschichtsschreibung hat im Abschluss des französisch-russischen Zweibundes den Beginn der »Einkreisung« Deutschlands gesehen. Die russische Politik benutzte den Vertrag jedoch vor allem zur Rückendeckung für ihre Aktivitäten in Asien und war zur damaligen Zeit keinesfalls bereit, Frankreich zu einem Revanchekrieg gegen Deutschland zu verhelfen. Als in der Folgezeit die britisch-russischen Gegensätze in Asien bereinigt werden konnten, gewann der französisch-russische Zweibund noch an Bedeutung.

Universal-Lexikon. 2012.

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